Felix Schäffer beim Segeln
Foto: Marcus Rebmann

Wiener Schmäh und Oberpfälzer Charme im Marionettentheater

Das Kulturquartier in Schwandorf ist um eine Attraktion reicher: Micha Pöllmann und Scarlett Köfner haben ihren Puppen dort ein dauerhaftes Zuhause und der Oberpfalz eine neue Attraktion beschert –  das Marionettentheater Schwandorf. Nach der erfolgreichen Premiere startet nun der zweite Block. 

Immer eine Frage der Perspektive: Hier beobachten die Puppen ihr Publikum. Foto: Marcus Rebmann

Internationales Flair getrieben und mittlerweile etabliert duch Wiener Schmäh, Oberpfälzer Charme, hochkarätigen Künstler:innen und begeistertem Publikum vom Kleinkind bis zu den Ur-Großeltern: Genau so geht alternative Kultur auf hohem Niveau. Und genau diese bringt das neue Marionettentheater Schwandorf in die Oberpfalz.

Wo einst Geld gezählt wurde, tanzen heute die Puppen: im Marionettentheater Schwandorf. Foto: Marcus Rebmann

Dieses kulturelle Kleinod befindet sich im Schwandorfer Ortsteil Fronberg in einer ehemaligen Bankfiliale, der man ihre Vergangenheit nach der Renovierung nicht mehr ansieht. Dort neben dem Oberpfälzer Künstlerhaus dürfen die Puppen nun ganzjährig tanzen. Die Strippen dort zieht Micha Pöllmann als Leiter des Marionettentheaters zusammen mit seinem Team sowie seiner Frau Scarlett Köfner, Eigentümer ist die Stadt.

Die Leidenschaft für das Marionettentheater hat Raimund Pöllmann seinem Sohn Michael vererbt. Scarlett Köfner, Puppenbauerin und Designerin, wurde in jeder Hinsicht zur perfekten Partnerin für Micha. Foto: Marcus Rebmann

Tradition seit 1977

Das Puppentheater hat in Schwandorf sowie bei der Familie Pöllmann eine lange Tradition: Bereits 1977 haben Michas Eltern zum ersten Mal ihre selbstgemachten Marionetten tanzen lassen. Fast immer in der Vorweihnachtszeit und stets auf einer temporären Bühne im Oberpfälzer Künstlerhaus. „Das war schon cool. Aber der Auf- und Abbau war beschwerlich, der Zugang leider nicht barrierefrei und es gab keine Möglichkeit das ganze Jahr über zu spielen“, erzählt der professionelle Schauspieler, der 2019 die Leitung des Schwandorfer Ensembles übernommen hat.

Sie in Wien, er in Schwandorf: Distanz ist in digitalen Zeiten kein problem. Denn via Videocall beratschlagen Micha und Scarlett wie Pinocchio seine rote Mütze tragen soll. Foto: Cindy Michel

Figuren aus dem 3D-Drucker

„Aber das hier ist ziemlich perfekt“, sagt Micha und blickt sich in den Räumlichkeiten des neuen festen Marionettentheaters direkt neben der Kebbel Villa  um. Die Wände des Raumes sind schwarz getüncht, der Holzboden glänzt, vor der Eingangstür halten schwere Vorhänge das Licht ab. Wenn sie zugezogen sind, liegt der Fokus voll und ganz auf der beleuchteten Bühne – die Möglichkeit für eine perfekte Immersion.  

Pinocchio und sein Vater Gepetto. Foto: Marcus Rebmann

„Wir haben schon lange getüftelt bis hinter sowie vor der Bühne alles perfekt war“, erzählt Micha, der die Räumlichkeiten in Eigenregie mit viel Herzblut, Muskelkraft und Erfindergeist renoviert hat. Kreativ in der Umsetzung wurde der Puppenspieler vor allem beim Bau der Hauptbühne, denn hier liegt die Schwierigkeit in der Höhe: Die Spieler:innen müssen für das Publikum unsichtbar hoch über der Bühne platziert sein, um die Marionetten an an ihren etwa zwei Meter langen Fäden zum Leben zu erwecken.

Erika Eichenseer, Vize-Präsidentin der Schönwerth-Gesellschaft, lernt ihr Marionetten-Alter-Ego kennen. Foto: Marcus Rebmann

700 handgemachte Puppen

„Hier können wir nicht nur das ganze Jahr über spielen, sondern haben auch ein echtes Zuhause für unsere Stücke und mittlerweile rund 700 Puppen gefunden“, sagt Micha. Apropos Zuhause: Micha wohnt aktuell mit seiner Familie in Wien und pendelt zwischen der Puppenbühne Schwandorf und verschiedenen Bühnen in Wien.

„Die Oberpfälzer:innen und die Wiener:innen ähnelen sich eh“ überlegt Micha. „Beide sind direkt und gerade raus. Wenn wild diskutiert wird, schwappt bei den einen das Bier aus dem Glas bei den anderen die Melange aus der Tasse.“

Allein sei er eigentlich nie, meinte Micha. Er habe doch immer seiner Puppen um sich herum. Foto: Cindy Michel

Die Puppen, egal ob Handpuppe oder Marionette, sind alle selbst gebaut, einige Teile stammen aus dem 3D-Drucker. Micha kümmert sich um die Technik, tüftelt am Bau der Holzfiguren und Scarlett konzipiert, designt, modelliert und stattet sie aus. Über 600 Puppen befanden sich schon im Fundus der Familie Pöllmann, 100 neue kamen nun nochmal durch Micha und Scarlett hinzu.

Stolze Eltern: Scarlett Köfner und Micha Pöllmann mit ihrem Kind aus Holz Pinocchio. Foto: Marcus Rebmann

Pinocchio ist gelebtes Puppentheater

„Uns war von Anfang an klar, dass wir Pinocchio hier inszenieren wollen“, sagt Micha. Denn dies sei gelebtes Puppentheater. „Es gibt kein Stück, das das mehr verkörpert: Hallo, es geht hier um eine Holzpuppe die in echt zum Leben erwacht.“ Natürlich ist auch Pinocchio in Schwandorf Marke Eigenbau. Nicht von Geppetto, dafür aber von Micha und Scarlett. Aber mit mindestens genau so viel Liebe. Bei dem kleinen Kerl ist die Mechanik nämlich so genial ausgetüfelt, dass  Micha mit dem richtigen Fadenzug sogar die Nase wachsen lassen kann. Die Musikerin Nele Van den Broeck komponierte die Musik für das Stück.

Pinocchio begegnet den Ganoven. Foto: Marcus Rebmann

Workshops im Programm

Doch in diesem zweiten Block vor der Sommerpause im Marionettentheater Schwandorf  bieten Micha und Scarlett mit ihrem Team auch erstmals Workshops an. Teilnehmer:innen lernen dort wie man Marionetten führt, Handpuppen selbst baut oder wie man Altem neues Leben einhaucht. „Dieses Angebot wurde extrem gut angenommen, die Workshops waren schon binnen kürzester Zeit ausverkauft“, „Wir werden natürlich in den folgenden Blocks auch wieder Workshops anbieten.“

Weitere Stücke in den kommenden Wochen sind die griechische Sage Alkmene, Schönwerth mit Sagen aus der Oberpfalz und Wiesenträume für die Kleinsten. Letzteres haben einige von euch ausschnittsweise sicher schon im Wild Vaitl beim Oberpfalztag gesehen.

Programm im Juli / Workshops ausverkauft

  • 14. Juli, 19:30 Uhr, Alkmene
  • 15. Juli, 9 bis 12 Uhr,  Einführung in das Marionettenspiel
  • 15. Juli, 14 bis 17 Uhr, Upcycling-Werkstatt
  • 15. Juli, 19:30 Uhr,  Alkmene
  • 16. Juli,  9 bis 12 Uhr, Einführung in das Marionettenspiel
  • 16. Juli, 14 bis 17 Uhr, Upcycling-Werkstatt
  • 17. Juli, 16:30 Uhr,  Wiesenträume
  • 18. Juli, 16:30 Uhr, Wiesenträume
  • 19. Juli, 16:30 Uhr, Wiesenträume
  • 20. Juli, 16:30 Uhr, Wiesenträume
  • 20. Juli, 19 Uhr, Schönwerth
  • 21. Juli, 14:30 Uhr, Wiesenträume
  • 22. Juli, 10 bis 15 Uhr, Big-head-puppet-Workshop
  • 22. Juli, 17 Uhr, Pinocchio
  • 23. Juli, 10 bis 15 Uhr, Big-head-puppet-Workshop
  • 23. Juli, 17 Uhr, Pinocchio

Weiter geht es nach der Sommerpause am 30. September mit einer neuen Premiere. 

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Als Kind der 80er konsumierte das damalige Army Brat so ziemlich alles, was die Kinoleinwände zwischen der good ol’ Oberpfalz und Fort Knox so hergaben. LADY OSCAR, und DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER stellten die Weichen für ihr Berufsleben: Nach einem Volo frönte sie den Film- & Literaturwissenschaften in Berlin und arbeitete für verschiedene Medien.